Coaching oder Beratung – KlientIn entscheidet

„Ich hatte gehofft, Sie können mir sagen, was ich machen muss, um aus diesem Mist raus zu kommen.“ antwortete neulich ein Vertriebsgeschäftsführer auf meine Frage, woran er in dieser Coaching Sitzung arbeiten wolle. Gemeinhin weisen seriöse Business Coaches die Intention von Klienten respektvoll zurück, wenn sie um inhaltlichen Rat gebeten werden.

Sie versuchen statt dessen, den Klienten bei der Entwicklung einer eigenen Lösung zu fördern. Und das aus gutem Grund: ist doch ein inhaltlicher Ratschlag oder sogar ein Lösungsvorschlag immer Teil der Welt (des Systems) des Coaches. Und damit nicht der des Klienten. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Das Thema, ob sich Business Coaching ausschließlich auf den Erkenntnisprozess des Klienten konzentrieren soll oder auch inhaltliche Beratung zu dessen Herausforderungen sein darf, wurde vielfach diskutiert und publiziert. Hin und wieder begegnet man dabei der (manchmal dogmatisch) geäußerten Ansicht von Berufskollegen „Coaching ist ungleich Beratung“. Meiner Ansicht nach ist das Gegenteil der Fall – und lenke damit die Aufmerksamkeit auf eine besondere Verantwortung, derer sich Coach und Klient in der Coachinbeziehung bewusst sein müssen.

Coaches können nicht NICHT kommunizieren

Da wäre zum Einen die grundsätzliche Unfähigkeit des Coaches, seine eigenen Werte und Glaubenssätze aus dem Coaching heraus zu halten. Man könnte zur Erläuterung dessen die – übrigens sehr lesenswerten – „fünf Axiome der Kommunikationstheorie“ von Paul Watzlawick (1921 – 2007, österreichisch-amerikanischer Kommunikationswissenschaftler) heran ziehen, in welchen er die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Kommunikation, Verhalten und Beziehung beschreibt.

Angewendet auf eine Business Coaching Situation erklären diese, dass ein Coach verbal oder nonverbal immer auch seine eigenen Haltungen, Ansichten, Meinungen einbringt und den Klienten damit stimuliert. In der Regel geht dies unbewusst vonstatten . Sollte ein Coach dies jedoch bewusst einsetzen, ohne den Klienten entsprechend einzubeziehen, muss er sich den Vorwurf der Manipulation machen lassen.

Klienten erwarten inhaltliche Beratung

Zum Anderen – und das wiegt wesentlich schwerer – wünschen sich Klienten häufig einen Berater oder „Ratgeber“, der ihnen einen Ausweg aus ihrer schwierigen Situation weist. Um dies richtig einordnen zu können, muss man sich die Situation vor Augen führen, in der sich Klienten zu Beginn eines Coachings befinden:

  • Sie stecken in einer handfesten Herausforderung, für welche sie keine Lösung haben. Einige Versuche, das Problem in den Griff zu bekommen, sind bereits gescheitert.
  • Häufig ist der Vorgesetzte und/oder die HR Abteilung involviert. Neben dem eigenen Anspruch stehen sie also unter einer Art wertenden Beobachtung durch wichtige Stakeholder.
  • Zeit ist kostbar: das jeweilige Problem ist bereits eskaliert, bzw. steht unmittelbar davor. Daraus entsteht Druck auf eine schnelle Lösung.

Was wäre in einer solchen Stresssituation willkommener, als ein glaub- und vertrauenswürdiger Experte, der das Problem richtig identifiziert und aus seiner eigenen Erfahrung eine wirksame Lösung dafür in petto hätte? Die Verführung ist zu groß, um diese Variante nicht in Betracht zu ziehen.

Business-erfahrene Coaches kennen ihre Verantwortung – und geben diese an den Klienten weiter

Wie eingangs geschildert, handeln Coaches unverantwortlich, wenn sie dem Klienten unreflektiert ihre eigenen Lösungen präsentieren. Nicht nur, dass sie sich damit in eine Art Lieferanten-Rolle bringen: ein Dienstleister, der Lösungen verkauft. Ohne Auftrag und ohne Rückgaberecht.

Sie ignorieren vor allem ihre professionelle Verantwortung, den Klienten bei der Entwicklung eigener Lösungswege zu unterstützen. Eigene neue Denk- und Verhaltensmuster, die in der Umsetzung wesentlich belastbarer und nachhaltiger wirken, als externe Ratschläge. Weil sie vom Klienten selbst entwickelt, durchdacht, ausprobiert und implementiert werden – und deshalb als stabile Orientierung für die Zukunft einfach glaubwürdiger sind.

Gleichwohl verfügen Coaches mit eigener Management Erfahrung über wertvolle Assets, die sie im Sinne des Klientenerfolgs einsetzen können: ihre eigene erfahrungsbasierte Sicht auf das Thema kann Referenzrahmen, ein varianzbildender Aspekt oder auch wertschätzende Stabilisierung für den Klienten sein. Berücksichtigt man dessen oben geschilderte angespannte und häufig instabile Situation, kann der Coach damit wesentlich zur (eigenen) Lösung des Klientenproblems beitragen.

Entscheidend ist jedoch, dass er seine externe Sicht jederzeit deutlich als inhaltlichen Hinweis markiert – und damit unmissverständlich von seiner Rolle als Prozessbegleiter abgrenzt. Es liegt in der Verantwortung des Coaches, dem Klienten die Möglichkeit zu schaffen, zwischen inhaltlicher und Prozessberatung zu unterscheiden. Nur wenn dieser weiß, mit welchem „Hut“ der Partner gerade zu ihm spricht, kann er dessen Botschaften für sich selbst einordnen – und damit vollständig die Verantwortung für seine eigene Lösung übernehmen.

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